Hugo Lemcke (1835-1925),
Vorsitzender der Gesellschaft für pommersche Geschichte
und Altertumskunde von 1873 bis 1923'
von Ludwig Biewer
In der über 175jährigen Geschichte ist unsere 1824 gegründete Gesellschaft für pommersche Ge
schichte, Altertumskunde und Kunst e.V. von vielen Menschen geleitet und geprägt worden, die
deutliche Spuren hinterlassen haben 1 2 . Keiner aber hat einen solchen Einfluss ausgeübt wie Hugo Lemcke
der unserem Altertums- und Geschichtsverein fast ein halbes Jahrhundert Vorstand. Wir
haben im Jahre 2000 doppelten Anlaß, seiner zu gedenken, denn er wurde am 5. Dezember vor 165
Jahren, 1835, zu Pasewalk geboren, und er starb am 8. August vor 75 Jahren, 1925 zu Stettin. Es ist
ein deutliches und schönes Zeichen der Völkerverständigung, daß man Leben und Werk dieses be
deutenden Schulmannes, Altertumsforschers, Wissenschaftsorganisators und Provinzialkonserva
tors auch und gerade in dem heute polnischen Stettin sehr ausgiebig und angemessen würdigt.
Hugo Karl Heinrich Lemcke 3 stammte aus einer bäuerlichen evangelischen Familie, die ursprüng
lich in Mecklenburg-Strelitz ansässig war, in den 1830er Jahren aber schon seit vier Generationen
in Pommern Fuß gefaßt hatte. Der Vater, Johann Ernst Heinrich Gustav Lemcke (1794-1873), war
seit 1821 mit Augustine geb. Sehmsdorf (1802-1855) verheiratet, die einer Gutsbesitzerfamilie aus
der Uckermark entsproß. Sie schenkte ihrem Mann nicht weniger als vierzehn Kinder. Es mag die
bäuerliche Herkunft gewesen sein, die Hugo Lemcke zu einer stattlichen, in sich ruhenden Erschei
nung werden ließ, von lebens- und kraftvoller Natur sowie scheinbar unerschütterlicher Ruhe und
Gelassenheit. Spätere Jahre sollten freilich zeigen, daß in dieser kräftigen Gestalt eine sehr empfind
same und auch verwundbare Seele wohnte. Darauf wird an entsprechender Stelle wenigstens kurz
einzugehen sein. Außer einem sehr wachen, klaren und scharfen Verstand war ihm ein starker Sinn
für das Praktische im Leben eigen. - Die Eltern wohnten zunächst in Stettin. 1833 erwarb der Vater
in Pasewalk eine Stärkefabrik. In der Ueckerstraße 56 wurde am 5. Dezember 1835 als zehntes Kind
der Sohn Hugo geboren, der übrigens zeitlebens zu seinen Geschwistern und deren Familien einen
1 Vortrag, gehalten auf einer Tagung der Gesellschaft für pommersche Geschichte, Altertumskunde und Kunst
e. V., ihrer Abteilung Vorpommern und der Historischen Kommission für Pommern in der Aula der Ernst-Mo-
ritz-Arndt-Universität Greifswald am Sonnabend, 25. November 2000, vor der Abteilung Bonn der Gesell
schaft am Freitag, 1. Dezember 2000, und vor der Abteilung Berlin am Sonnabend, 27. Januar 2001. Auf der Ta
gung »In memoriam ...« Hugo Lemcke in der Pommerschen Bibliothek in Stettin am 5. Dezember 2000, zu der
ich eingeladen war, wofür ich vielmals danke, wurde der Vortrag von Herrn Haik Thomas Porada M. A., verle
sen. Für diese Drucklegung wurde der Vortragsstil weitgehend bewußt beibehalten.
2 Adalbert Holtz: 150 Jahre Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde, in: Baltische Studien
N. F. 60 (1974), S. 7-31; Rembert Unterstell: Klio in Pommern Die Geschichte der pommerschen Historiogra
phie 1815 bis 1945 (Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 113), Köln — Weimar — Wien 1996, S. 37-47, 109-127;
Maciej Szukala Powstanie i dzialalnosc Towarzystwa Historii i Starozytnosci Pomorza w Szczecinie w latach
1824-1918. Z dziejöw pomorskiej nauki i kultury XIX i poczatku XX w, Stettin 2000 (mit deutscher Zusam
menfassung S. 213-215). Zudem liegt mir das Typoskript des Festvortrages von Herrn Professor Dr. Dr. h.c.
Roderich Schmidt vor, den er anläßlich der 175-Jahr-Feier unserer Gesellschaft 1999 in Stralsund hielt. Für die
Überlassung dieser Studie danke ich ihrem Verfasser ganz herzlich!
3 Martin Wehrmann: Hugo Lemcke (1835-1925), in: Pommersche Lebensbilder, Bd. 1, Stettin 1934, S.206-274;
Otto Altenburg: Hugo Lemcke Ein Leben der Arbeit und des Erfolges, hrsg. v. der Gesellschaft für pommer
sche Geschichte und Altertumskunde, Stettin 1935; Unterstell (wie Anm.2), S. 37-47, 62-67. Die Darstellung
von Altenburg ist sehr wichtig und Grundlage für diesen Abriß, weil er den umfangreichen Nachlaß von Hugo Lemcke
einsehen und verarbeiten konnte, der wohl als verloren gelten muß.
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585 NZ 30431-82/86
Universitätsbibliothek Greifswald