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Acht und zwanzigstes Stück.
selbst nicht besitzet, und weil er sie, aus Mangel des Verstandes nicht
mir der Religion zusammen zu reimen vermag. Fast auf eben die Art
muß man alle diejenigen beurkheilcn, welche irgend eine gute und recht»
mastige Kunst, Profession und Lebensart, den Handel und Wandel,
den Soldatenstand und dergleichen der Religion entgegen setzen. Kön¬
nen dieselben zum Nachtheil der Religion gemißbrauchet werden, so ist
das ihrer wahren Natur zuwider, und nicht nothwendig. Es gibt
scheinheilige Müßiggänger, welche aus Ungeschicklichkeit und Faulheit
alle dem menschlichen Gesthlechte wahrhaftig vorthcilhafte Beschäfti¬
gungen unter demNamen der Eitelkeiten dieser Welt und des irrdischen
Sinnes verwerfe», undBetbrüder oder Betschwestern im bösen Ver¬
stände werden. Ein Mensch von dieser Art ist eine unnütze Last des
Erdbodens. Er fühlet, wie gemächlich es sei), sich in eine Kirche wah¬
renden öffentlichen Gottesdienstes hinzusctzen, oder zu Hause im
Ruback zu lesen. Er verabscheuet demnach alle andere Arbeiten. Ec
kennet viele fromme Personen, und bey denen suchet er sich bekannt zn
machen. Um die Essens- oder Eoffeestundc schleicht er von einein zum
andern herum, redet von seinem Herzenszustandc, bis der Tisch gedeckt,
oder der bossee herein gebracht ist; denn er iveiß, man werde den lieben
Mann nicht fortgehen lassen. Er laßt es sich treflich gut schmecken, und
redet um so viel ünverzagter von der Eitelkeit der Welt, von der Ver¬
leugnung alles Jrrdisthen, weil man ihm, als einen so grossen Heiligen,
den beßke» Weinvorsctzt. Hierauf zieht er auf die böse Welt los, und
verunglimpft den guten Namen aller derjenigen, die nicht von den Sei-
uigcnfind, weil er nichts weiter zu thun hat, als einen Spion vorzu-
stellen, und sich nach allen zu erklindigeil, was vorgeht. Ohne Zwei¬
fel ist die rauhe, melancholische und unmenschliche Gcmüthsa'rt, dieser
Schandfleck der menschlichen Natur, die Ursache, warum es Leute
giebt, welche alles Vergnügen, alle Wollust der Sinne, asten Ge¬
brauch der zeitlichen Güter, um sich einen vergnügten Tag zu machen,
der Religion entgegen setzen. Hier ist die Rede nicht von Heuchlern,
sondern von aufrichtigen Verehrern der Religio», die sich aber dieselbe
unter einem so finstern und traurigen Bilde vorsicllen, daß sie sich ver¬
pflichtet zu seyn glauben, alles stnnliche und vergängliche Vergnügen
um ihrcntwillen zu verabscheuen. Diese traurige Verehrer Gotteck
donnern unaufhörlich wider alles Vergnügen, so man aus Essen und
Trinken, aus den Farben, aus der Symmetrie der?höne, und aus
hundert solchen angenehmen, zeitlichen und irrdische» Dingen schöpfen
kann. Sie verwerfen dasselbe unter dem Name» der Eitelkeit, und
glauben, daß ein Frommer gegen alle lockende Reizungen der Natur
blind und taub ftv» müsse. Man kann nicht genug sagen, wie schädlich
eine solche Fürstellung der Religion, sowol ihr selbst, alsauch denen
Menschen sep. Wir find unserer ganzen natürlichen Anlage und Be-
Ee 2 siimmung