Full text: 8.1858

in ihrem Gebiete zu gestatten, so ist es freilich das Nächstliegende, daß man Schulen 
gründe, welche die entgegengesetzte Richtung verfolgen; weit ersprießlicher wäre es 
jedoch für das Ganze gewesen, wenn man, statt ihrer, Schulen gegründet hätte, 
welche gleichmäßig beide Richtungen in sich vereinigten: denn ebenso wenig, wie eine 
allgemeine Bildung ohne Mathematik, Naturwissenschaften und neuere Sprachen 
möglich ilt, ebenso wenig ist sie ohne Kenntniß der alten Sprachen und des Alter- 
thums überhaupt erreichbar. 
Wollte man einwenden, daß die Lcctionspläne der Gymnasien alle diese Gegen- 
jlände in sich vereinigten, so müßte darauf hingewiesen werden, daß sie freilich alle 
ein Plätzchen gefunden haben, aber daß keinem einzigen der hier besonders geforderten 
die Stellung angewiesen ist, die er nach seiner Wichtigkeit für das moderne Leben 
haben müßte; nicht nur, daß die ihnen zugemessene Zeit viel zu kurz ist, um das zu 
bewirken, was die Lebensverhältnisse der Gegenwart von jedem Gebildeten verlangen 
müssen, diese Gegenstände werden auch in anderer Beziehung nur als nebensächliche 
betrachtet. Sollten >ie den übrigen als gleichberechtigt erscheinen, so müßte man 
beim Abgänge eines Schülers vom Gymnasium entweder in keinem eraminiren, oder 
in allen gleichmäßig. Das geschieht aber nicht; in den einen wird geprüft, in 
den andern nicht; der eine Gegenstand legt ein Gewicht in die Wagschale, der andre 
nicht. Daß unter solchen Umständen diese Gegenstände in den Augen der Schüler 
wenig beachtet werden, leuchtet von selbst ein. 
Zn Preußen gestalteten sich Anfangs die Realschulen ohne allen Zwang von 
Seiteil der vorgesetzten Behörden; man ließ sie gewähren, aber kümmerte sich auch 
nicht sonderlich darum; ja man hielt sie, iin Vergleich zu den Gymnasien, ziemlich 
stiefmütterlich, weil man eben nicht viel von ihnen hielt, kein Princip darin zu finden 
vermochte. Auch kein einziger äußerer Vortheil war an das Dmchmachen einer 
Realschule geknüpft, so daß die oberste Klasse selten recht bevölkert war. Von der 
Realschule selbst ging der Antrag auf ein Abiturienteneramen und Gewährung mancher 
Vorrechte für die mit dem Zeugniß der Reife Abgehenden aus. Sämmtliche Anträge 
kamen zur Ausführung; von da an aber überwachte der Staat auch die Realschule 
mit eben solcher Sorgfalt wie das Gymnasium. Der Eintritt ins Post-, Steuer-, 
Forst- und Baufach, ins Militair zum Dienst auf Avancement, zum Subalterndienst 
bei den königlichen Behörden u. s. w. wurde für die mit dem Zeugniß der Reife 
entlassenen Realschüler fast ausschließlich reservirt. Für diese Wohlthaten wollte der 
Staat aber nun auch eine Entschädigung haben. Lange schon mochte sich bei den 
Subalternbeamten in den verschiedenen Ministerien und den ihnen untergeordneten 
Behörden ein Mangel herausgestellt haben; diese Klasse der Beamten ging wohl 
größtentheils aus Gymnasialschülern hervor, welche das Gymnasium aus den mittleren 
Klassen verließen, weil sie sich aus irgend einem Grunde außer Stande sahen, den 
Schulcursus weiter fortzusetzen, oder auch gerade auf diese Beamten-Carriere los 
steuerten. Genug, die Behörden wünschten sich besser vorgebildete Leute für diese
	        
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