Signatur: 585/ NZ 30431-47/49
Universitätsbibliothek Greifswald
ein passender Sommeraufenthalt, vorzugsweise an der See, versteht sich der Ostsee
denn mit der Nordsee war mein Vater nie recht Freund. Eine unerwartete Wendung,
eines von den Vorkommnissen, die man mangels eines besseren Begriffs einen Zufall
nennt, richtete die Aufmerksamkeit meiner Eltern auf Deep, dessen Lage auf der Land
karte nicht allzu einladend aussah. Jedoch ergab es sich nach einigem Hin und Her, daß
mein Vater sich an einem Junitag in Weimar* in den Zug setzte (mich als vierzehnjährigen
Begleiter dabei), um zuerst nach Berlin zu fahren, wo übernachtet wurde, und am näch
sten Tag die Tagesreise an den hinterpommerschen Strand anzutreten.
Die Zahl der Kilometer stand zur verbrauchten Zeit in einem durchaus altmodischen
Verhältnis. Bis Stettin ging es recht schnell. Anschluß nach Treptow war indessen nur
nach mehr als dreistündigem Warten zu haben. Die verwartete Zeit, an einem heißen
Sommertag, tat das ihrige, den Geist der Beisenden mürbe zu machen. Die lange Fahrt
im Bummelzug vertiefte und unterstrich durchaus den Eindruck des Abenteuers. Um
geben von nur wenigen Reisenden, welche ein unverständliches Platt wortkarg von sich
gaben, zum Schluß so gut wie allein im rasselnden und oft haltenden altertümlichen
Personenzug. durch ein gewaltiges Gewitter hindurch weiter in grüne Einöden vor
dringend, sank den Ankömmlingen der Mut und wuchs andrerseits ein Gefühl des
Neuen, noch nicht dagewesenen, aus welchem noch ungefähr alles werden konnte.
Treptow mit seiner überragenden Kirche, gegen die drohende Wetterwand geschaut.
1 Von 1919 bis 1925 war Lyonei Feininger als Leiter der Graphischen Werkstatt am Staatlichen
Bauhaus in Weimar tätig.
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