Den wachsenden Ansprüchen an die politisch-ethische Bildung und Er
ziehung gerecht zu werden, berührt auch die Frage nach der Holle der
revolutionären Traditionen bei der Persönlichkeitsentwicklung, nach der
Stellung zu den vorangegangenen Generationen und ihrem Wirken zur
Veränderung der Welt. Das Leben Wilhelm Piecks ist in vielfältiger Hin
sicht mit den revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung des 19. und
20. Jahrdunderts verknüpft. Sein Werk, die Erinnerungen und die Urteile
von Zeitgenossen bieten deshalb für eine gründliche Beschäftigung mit
dieser Problematik zahlreiche Anregungen. Auf einen Bereich im Leben
Wilhelm Piecks, auf seine Beziehungen zur Jugend möchte ich etwas näher
eingehen. Dabei sind zwei Aspekte wesentlich: Sein direktes Verhältnis
zur Jugend und die Wirkung seiner Persönlichkeit auf junge Menschen, die
nach Antworten über ihren Platz in der Gesellschaft, nach dem Sinn ihres
Lebens suchen.
Doch zunächst einige Gedanken zu den Beziehungen Piecks zur Jugend und
Jugendbewegung. Er selbst hat bereits frühzeitig seinen Platz in der revo
lutionären Arbeiterbewegung gefunden. Mehr als 60 Jahre gehörte er der
Partei der Arbeiterklasse an. Sein Wirken als Funktionär der Arbeiter
bewegung ist gekennzeichnet durch den Einsatz für eine gleichberechtigte
Teilnahme der Jugend am Klassenkampf und durch die Einsicht in die
Verantwortung der Partei der Arbeiterklasse für die heranwachsende Gene
ration. In den Reihen der SPD trat Pieck an der Seite von Karl Liebknecht
und Clara Zetkin für eine organisatorisch selbständige Arbeiterjugend
bewegung ein. Seine Reden als Bürgerschaftsabgeordneter in Bremen sind
hervorragende Beispiele des Einsatzes für die Interessen der Jugend.
Als er 1910 nach Berlin als Sekretär der Reichsparteischule der SPD und
2. Sekretär des Zentralen Bildungsausschusses berufen wurde, setzte er
diese Tätigkeit konsequent fort. In Berlin-Steglitz hat er als Mitglied des
Jugend- und Bildungsausschusses des Sozialdemokratischen Wahlvereins
wesentlichen Anteil an der Errichtung eines der ersten Jugendheime in
Berlin. Oft wurde er zu Vorträgen auf Jugendversammlungen eingeladen.
Aufschlußreich ist dabei, daß Themen zur neueren deutschen Geschichte
dabei einen zentralen Platz einnahmen.
Die im Ergebnis der Novemberrevolution erfolgte Gründung der KPD schuf
auch für die revolutionären Kräfte der deutschen Arbeiterbewegung gün
stigere Möglichkeiten in der Jugendarbeit. Als Mitbegründer der KPD, der
seit Existenz der Partei den leitenden Organen angehörte, hat Wilhelm
Pieck an der Seite Ernst Thälmanns wichtigen Anteil an der Ausarbeitung
der marxistisch-leninistischen Jugendpclitik der KPD. Sein gesamtes Auf
treten gegenüber der Jugend ist durch Achtung und Vertrauen, durch
Kameradschaftlichkeit und Verständnis für die Probleme und Fragen jun
ger Menschen gekennzeichnet. Eine derartige Haltung schloß hohe Forde
rungen an die Jugendarbeit der Partei ein. Immer wieder wandte er sich
direkt an die Jugend, um ihr die Verantwortung ihrer Generation bei der
Verwirklichung der historischen Mission der Arbeiterklasse bewußt zu
machen. Ein Beispiel dafür ist seine Rede am 18. Januar 1920 auf dem
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